Mann
mit dem Notizbuch
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Was
heute die wohlbekannten "Chaos- Zettel"
eines Lienen sind, war anno 1954 schon längst
gang und gäbe. Neben "Magier",
"Hexenmeister",
"Trainerfuchs",
der Weise von der Bergstraße" und "Fußballphilosoph"
war Joseph "Sepp" Herberger auch als
"der Mann mit dem Notizbuch" bekannt. Von
seinen Spielern wurde der akribische Fußballlehrer
und Vater des "Wunder von Bern" stets
achtungsvoll als "der Chef" bezeichnet. Am
28. März 1897 erblickte Sepp Herberger in Mannheim -
Stadtteil Waldhof das Licht der Welt. In diesem
Arbeiterviertel von Mannheim ging er in die Lehre und
arbeitete zunächst in einem Industriebetrieb, später
bei einer Bank. Da sein Vater starb, als Herberger
erst zwölf war, war er für die finanzielle Versorgung
der immerhin achtköpfigen Familie
mitverantwortlich.
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Spieler
Sepp Herberger
Seine
wenige Freizeit widmete Sepp Herberger schon früh ganz dem
einen: dem Fußball. Auch wenn es dem Elternhaus nicht
gerade recht war - schließlich verschliss der
Filius
das ein
oder andere Paar der teuren Fußballschuhe - Sepp Herberger
spielte Fußball. Sein erster Verein war natürlich der SV
Waldhof Mannheim. Bereits im Alter von 17 feierte Herberger
sein Debüt in der ersten Mannschaft.
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Zehn
Jahre nach seinem vermutlichen Eintritt bei Waldhof,
1921, zog sich Sepp
Herberger erstmals das weiße Trikot
der
Nationalmannschaft über (3:3 gegen Finnland). Zwei
weitere Einsätze
sollten folgen. 1922 sollte Sepp
Herberger in einen Bestechungsskandal
verstrickt sein. Er soll unerlaubt
Handgeld
für einen Vereinswechsel angenommen
haben. Damals ein Verstoß
gegen die Regeln des Amateurfußballs, der mit
lebenslanger Spielsperre
geahndet
wurde. Allerdings
wurde die Strafe später auf ein Jahr Spielsperre
reduziert. Nächste Station der Spielerkarriere Sepp
Herbergers war der VfR Mannheim, ein Verein der
"Reichen", mit dem Herberger 1925 die Süddeutsche
Meisterschaft gewinnen konnte. Ein Jahr später
ging Herberger nach Berlin und spielte dort bei einem
großen deutschen Traditionsverein, nämlich bei
Tennis Borussia.
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Trainer Sepp
Herberger
Nach
drei Jahren absolvierte Sepp
Herberger 1930 die Berliner Sporthochschule mit
sehr guter Benotung. Als Verantwortlicher des
Westdeutschen Verbandes verdiente er sich erste
Reputationen als Trainer. 1936 wurde er als
Nationaltrainer berufen. Ein Amt, das er über
die Wirren des Krieges
hinaus bis 1964 begleiten sollte.
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Umstritten
ist seine politische Ambition während des Dritten
Reiches. Bereits 1933 trat Sepp
Herberger der NSDAP bei. Allerdings tat es sich
nie in irgendeiner Weise politisch aktiv hervor.
Im Rahmen des Entnazifizierungsverfahrens
wurde er daher
als Mitläufer
eingestuft und aufgrund dessen zu einer
Geldstrafe verurteilt.
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Trainer
Herberger,
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rechts
neben ihm Nachfolger Schön.
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Zur
Weltmeisterschaft von 1938 formte Sepp
Herberger eine Mannschaft mit Titelambitionen und -
Chancen. Doch machte ihm die Politik einen Strich durch die Rechnung:
nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche
Reich wurde von Berlin die Integration österreichischer
Spieler angeordnet. Fatal wirkte sich dieser Eingriff in die
Personalplanung Herbergers aus: Der Mitfavorit Deutschland schied bereits in der Vorrunde gegen die Schweiz aus.
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Nach
dem Krieg blieb Sepp
Herberger Cheftrainer, diesmal der der
Nationalmannschaft der Bundesrepublik. Bereits 1950
wurde Deutschland wieder in die FIFA aufgenommen und
konnte im November des selben Jahres einen 1:0 Sieg
gegen die Schweiz in Stuttgart verzeichnen. Vier Jahre
später sollte Herberger mit den "Helden von
Bern" seinen großen Triumph erleben. Beim
folgenden Turnier 1958 in Schweden sollte Herberger
mit dem vierten Platz einen weiteren achtbaren Erfolg
mit der Nationalmannschaft erringen. Er etablierte
Deutschland im Kreis der fußballerischen Weltspitze.
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Sepp
Herbergers Trainerkonzept
In
seiner Funktion als Cheftrainer arbeitete Sepp
Herberger vor allem die Eigenschaften seiner Spieler
heraus, die im weiteren Verlauf der Fußballgeschichte als "deutsche Tugenden"
gelten sollten.
Ausdauer,
physische Stärke, Disziplin, Team- und Kampfgeist galten
unter ihm als oberste Pflicht. Der Kabarettist Dieter
Hildebrandt stellte einmal fest, Herberger hatte ein Gespür für
"die Effenbergs". In der Tat: die Berufung zum
Nationalspieler erfolgte unter Herberger auch unter Berücksichtigung
charakterlicher Eignung.
Das Kollektiv mußte funktionieren.
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"Hans,
trinken Sie nicht so viel! In acht Wochen haben wir
ein schweres Spiel in Brüssel gegen Belgien. "
(Sepp Herberger zu Hans Schäfer auf der Siegesfeier)
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Über
seine ausgeprägten theoretischen Fähigkeiten hinaus wurde Sepp
Herberger auch hohes psychologisches Einfühlvermögen
nachgesagt. In Einzelgesprächen
betreute er seine Spieler über
Tätigkeit eines Fußballlehrers hinausgehend. So war auch
die Belegung der Zimmer während der Turniere
stets
psychologisch abgestimmt. Den manchmal sensiblen und
nach Niederlagen leicht depressiven Fritz Walter quartierte
Herberger nicht mit seinem Bruder Ottmar ein, sondern mit
Helmut Rahn, einer Frohnatur, der für die nötige Stimmung
sorgte. "Helmut", sagt Herberger oft,
"bauen Sie mir den Fritz auf."
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Sepp
Herberger: Fußball- Philosoph
Nicht
nur das Wunder von Bern, der überragende Erfolg bei der WM
1954, macht Herberger unvergessen. Die von ihm geprägten Fußball-Weisheiten
gehören auch heute noch zum Repertoire eines jeden Fußballliebhabers. "Der Ball ist rund", "Der nächste
Gegner ist immer der schwerste", "nach dem Spiel ist
vor dem Spiel" und "Ein Spiel dauert neunzig
Minuten" gehören zu den banalen aber immer noch geltenden Weisheiten. Unter dem Schlagwort "Elf Freunde müßt
ihr sein" wurde der Konzeption vom funktionierenden
Kollektiv Rechnung getragen. Später unter dem Bundestrainer
Vogts fand diese Herberger'sche Philosophie in dem Motto
"Der Star ist die Mannschaft" ähnliche Ausprägung.
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Letzte
Stationen
Zwei
Jahre nach dem Ausscheiden im Viertelfinale bei der WM
1962 in Chile gab
Herberger das Amt des Bundestrainers
an Helmut Schön ab und verabschiedete
sich in den
wohlverdienten Ruhestand. 24 Jahre war er für den
deutschen Fußball verantwortlich, 172 Spiele fanden
unter seiner Leitung statt. Neben vielen anderen
Auszeichnungen
erhielt
Herberger das
Bundesverdienstkreuz. Am 28. April 1977 verstarb
Sepp
Herberger achtzigjährig. Am selben Tag fand in Köln
das Länderspiel Deutschland - Nordirland (5 : 0)
statt, das Herberger noch sah, bevor er in seiner
Geburtsstadt Mannheim den Folgen einer
Lungenerkrankung erlag.
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