(Friedland/dpa) - Für 10.000 deutsche
Kriegsgefangene in der Sowjetunion kam vor 50 Jahren im
September 1953 die Erlösung: Nachdem die Regierung der UdSSR 1951
ohne Begründung alle Transporte von Heimkehrern
gestoppt hatte, hieß es zwei Jahre später endlich für rund 10 000 weitere Zwangsarbeiter:
«Ab in die Heimat.» Das Grenzdurchgangslager Friedland bei
Göttingen war die erste Station für viele der Gefangenen, die
nach langen Verhandlungen begnadigt worden waren.
Bis
zum Jahreswechsel 1953/54 bezogen nach Angaben des Leiters des Lagers, Heinrich Hörnchemeyer, rund
7.000 Männer und Frauen die
Baracken in Friedland. Die ersten 468 Heimkehrer kamen am Abend
des 26. September 1953 in zwölf Bussen über den Kontrollpunkt
Herleshausen in Hessen an. Auch 18 Frauen und mehrere Kinder
waren darunter. Bewegende Szenen spielten sich ab, völlig Fremde
weinten und umarmten sich. Die Menschen aus der Grenzregion
schleppten Körbe belegter Brötchen und Äpfel herbei und der
Dorflehrer aus Herleshausen stellte seinen Kinderchor zwischen
die Busse.
Im nahen Lager Friedland wurden die
Spätheimkehrer nach Aussagen von Zeitzeugen kurz darauf von
Hunderten von Verwandten und Freunden, aber auch von vergeblich Hoffenden erwartet. Viele wurden
wegen Kriegverwundungen oder
Entkräftung gestützt oder mussten getragen werden. Die Zwangsarbeit
hatte bei allen unübersehbare Spuren hinterlassen.
Eine
Woche zuvor waren die Menschen in drei sibirischen Lagern in Viehwagen verladen worden. Schwer bewacht kamen die Züge über
Polen nach Deutschland. In der DDR blieben die Waggontüren
weitgehend geschlossen, damit die Bevölkerung nicht mit den
Gefangenen in Berührung kommen konnte. Bei der Ankunft trugen
aber alle neue Anzüge oder Kleider. Sie hatten sich in Eisenach in
der DDR umziehen
und ihre Lumpen zurücklassen
müssen, bevor sie dort
Busse in den Westen bestiegen. Ein 60 Jahre alter Mann aus Peine
überlebte die Reise nicht: Er starb am zweiten Tag des
einwöchigen Transportes im Zug.
Später sickerte durch, diese
Kriegsgefangenen seien begnadigt worden, weil sie angeblich
«nicht besonders schwere Verbrechen» begangen hätten. Doch in
Deutschland warteten auch nach 1953 weiter viele Angehörige auf
Hunderttausende Vermisste. 1948 waren 129.000 ehemalige Soldaten
als Heimkehrer registriert worden. 1949 waren es 150.000. 1950 kamen
20.000. Im folgenden Jahr sank die Zahl auf 1000.
1955
wurde dann nach Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit der Sowjetunion durch Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) zur
Gewissheit, was die Russen immer bestritten hatten: Sie hielten
noch immer rund 10.000 angebliche schwere Kriegsverbrecher
zurück. Auch diese wurden schließlich in den folgenden Monaten
entlassen und
Adenauer ließ sich damals als ihr Befreier feiern.
Doch noch Jahre danach hofften viele Menschen in beiden
Teilen Deutschlands auf Rückkehrer. Angeblich sollten sie in
sibirischen «Schweigelagern» festgehalten werden. Niemand ahnte
zu diesem Zeitpunkt, dass allein im letzten halben Kriegsjahr
1944/45 noch zwei Millionen Soldaten gefallen waren.