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Die Trümmerfrau berichtet

[Aufgaben zu dem Text]

Frauen organisieren das Überleben
Aufbauarbeit mit Phantasie und Improvisationskunst - Amerikanische Verführungen

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Als alles vorbei ist, der Krieg verloren, Deutschland in Trümmern, da beginnt die Zeit der Frauen. Sie sind es, die zu Hause ausgeharrt haben. Sie sind es, die jetzt mit dem leben müssen, was übrig geblieben ist. Und sie packen an. Das Bild der Trümmerfrau mit Kopftuch inmitten apokalyptisch wirkender Häuserruinen ist mit der frühen Nachkriegszeit verbunden wie kaum ein anderes. Ein Gesetz des des Alliierten Kontrolrates von 1946 hat Frauen zum Steineschleppen verpflichtet.

Die Männer? Sie sind im Krieg gestorben, warten in einem Gefangenenlager auf ihre Heimkehr, oder sie sind bereits zurückgekehrt: oft gezeichnet von ihren Wunden.

Die Frauen organisieren das Überleben: einen warmen Platz zum Schlafen, die nächste Mahlzeit. Hamsterfahrten in die Eifel, Schwarzmarkt an der Bonner Kasernenstraße, "Knolli"-Brandy, Brennesselsalat - Zeitzeugen erinnern sich. Die Frauen  klappern die Bauernhöfe ab, zum Beispiel im rheinischen Vorgebirge, um etwas Kohl und ein Stück Butter zu ergattern. Sie stellen sich ans Ende endlos erscheinenden Schlangen, um ein Stück Brot oder Fleisch zu ergattern. Viele Frauen sind nicht nur für sich selbst verantwortlich. Sie haben Familie, Kinder. Sie leben gedrängt mit anderen Menschen zusammen, oft in einem einzigen Raum. An Intimsphäre ist nicht zu denken. Die Trümmerfrauen entwickeln Phantasie: Sie tapezieren ihr Heim mit gewachstem Packpapier, sie nähen sich Mäntel aus alten Uniformen, ihre Kleider haben sie schon x-mal gewendet, geflickt und gefärbt.

Annette Lüdtke
© "General-Anzeiger", Bonn, 5. Dezember 1998

(Verkürzt)